Übersicht über die
Zeitstellung des Paläolithikums von
Siedlungen des Mittleren und Oberen Nils
nach Vermeersch |
Das
Standardwerk des Paläolithikums von
Siedlungen im Nieltal ist das Werk von
Pierre M. Vermeersch: "Palaeolithic living
Sites in Upper and Middle Egypt" Leuven
University Press 2000. Von 1976 - 2000 -
also rund 25 Jahren - fand durch die
Universität Leuven eine systematische
Begehung des Niltales statt auf der Suche
nach paläolithischen Funden. Die Strecke
reicht von Asyut bis rund 15 Km vor Luxor,
grenzt also an meinen Fundbereich um Luxor
an. |
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Aus den
über 60 in dem Buch besprochenen Funden hat
Vermeersch die für die jeweilige Zeitperiode
wichtigsten in einer Tabelle dargestellt.
Während die geologisch gesicherte älteste
Fundstelle Nag el Amra - 400 000 Jahre und
älter - nur mit wenigen Funden vorliegt, ist
das jüngere Acheuleen mit 4
Fundkonzentrationen vertreten und wird mit
350 000- 400 000 vor heute eingeordnet, dem
Funde des älteren und mittleren
Mittelpaläolithikums folgen. Mit
Shuwikhatian 1 ist der Moderne Mensch
relativ spät erfasst (25 000). Der frühe
Moderne Mensch kann zeitlich für Nordafrika
mit dem späten Mittelpaläolithikum
vielleicht angesetzt werden. Dies könnte
meine Fundlücke des frühen Modernen Menschen
um Luxor erklären. Über die morphologische
Analyse glaube ich - in Anlehnung an
McPherron - auf das Mittlere Acheuleen
zurück greifen zu können (primitive
Faustkeile), also bis 1 Million Jahre vor
heute. |
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In
Übereinstimmung mit meinen Funden weisen die
älteren Zeitstellungen. erstaunlich
geringmächtige Fundschichten auf. Mit 1
Meter Tiefe ist die ergiebigste Fundschicht
des Acheuleen von Nag Ahmed El Khalifa noch
am mächtigsten im Vergleich zu den meisten
der älteren Funde, die oft nur 30 cm
messen.. Vermeersch vermutet für Nag, dass
die vertikale Verteilung im Boden gestört
ist. Was mir um Luxor an den
Bodenaufschnitten durch Wadis auffiel,
bestätigt sich auch in den Ausgrabungen von
Vermeersch. In Nag sind die Artefakte
homogen, sie sind in einem "frischen"
Erhaltungszustand. Nach 25 Jahren
Gräbertätigkeit konnte Vermeersch für das
Alt- und Mittelpaläolithikum nicht viel mehr
an Erkenntnissen gewinnen, als was sich an
Funden an der Oberfläche abzeichnete. Es
finden sich in den Stratigraphien keine
Überlagerungen von unterschiedlichen
Industrien. |
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Die
Geomorphologie des Niltals hat seinen
Einfluss auf Schlagplätze, wie auch ich
festgestellt habe. Aber die aus Europa
mitgenommene Vorstellung, dass die ältesten
Funde in den höheren Terrassen vorkommen,
kann Vermeersch für Ägypten nicht bestätigen
(S. 57). Eine Art "magische Grenze" ist die
Dandara Formation (Dandara silt), die
höchstgelegene Ablagerung des "Wilden Nils"
aus Äthiopien. Je nach den Einengungen oder
Breite des Niltales sind maximale
Wasserstandhöhen von 6 bis 27 Meter über dem
heutigen Flussniveau nachweisbar und zwar in
Zeiten geringer Wasserführung, weil dann der
Fluss viel Lehm mit sich führt, auf dem er
sein eigenes Bett erhöht. In der Weite der
Luxorebene ist von 6 Meter und darunter
auszugehen. Meine Funde in der Niedrigen
Wüste um Luxor liegen oberhalb des
feststellbaren Nilhöchststandes. Der
Acheuleen-Schlagplatz Nag Ahmed Khalifa -
rund 50 km nördlich von Luxor - liegt rund
10 Meter über dem heutigen Nilniveau. |
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Im
scheinbaren Gegensatz zu meinen Funden, die
auch neben Siedlungen (trap sites)
Schlagplätze (quarries) erfassen, sind die
Acheuleen-Funde (Nag) der Universität Leuven
im Verhältnis zu den jüngeren Fundplätzen
relativ gering. In traditioneller Weise
nimmt Vermeersch als Maßstab für die
A-Altersbestimmung die bifazialen Faustkeile
in allen Stadien der Präparation (Figur 1 u
2). Hier ist man auf der sicheren Seite der
Altersbestimmung. Die Schlagtechnologie (flaking
procedure) ist charakterisiert durch lange,
tiefe Abschlagnegative, vermutlich durch
harten Schlag, Retuschen sind selten (Figur
3 und 4 mit gezähnter Arbeitskante). Eine
einfache Levallois-Technologie findet
Anwendung (Figur 5). Längliche Kiesel (Nodule)
werden ausgewählt, um Choppers,
Chopping-tools, Faustkeile zu gewinnen. An
einer natürlichen schmäleren Seite wird mit
der Gewinnung einer Kante begonnen und
alternierend retuschiert. Je nach dem
Geschmack des Schlägers kann der ovale
Handgriff bearbeitet werden oder in seiner
Natur belassen bleiben. Ob Chopping-tools
als Geräte vorliegen oder Vorformen von
Faustkeilen sind, kann nicht entschieden
werden |
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Das
Shuwikhatien (25 000 vor heute)
kennt eine besondere Zuschlagstechnik von
einem Rohkern. Zwei gegenüberliegende
Schlagflächen werden so zugerichtet, dass
sie steile Winkel mit der Abbaufläche
bilden. Durch seitliche Präparierung werden
am Kern ein oder zwei leicht gewölbte Grate
am Rücken ausgearbeitet. Der Trennschlag von
einer facettierten Schlagfläche folgte in
der Regel dem präparierten Rücken, so dass
lange, kräftige, leicht gebogene Klingen mit
einem oder zwei Grate entstanden. Manchmal
wurde noch die Ventralseite retuschiert. |
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Das
südlichste Suchgebiet vor den Toren von
Luxor stellt die geographische Situation
stufenweise dar, mit der ich es von Süden
kommend ebenfalls zu tun hatte: Der Nil, das
fruchtbare Land, die low desert, das 50-100
Meter Plateau, durchzogen von den Wadis und
endlich die Kliffs mit dem Kalkhochplateau.
In der markanten Westkurve des Nils vor
Abydos - hier nicht mehr sichtbar - liegt
das Suchgebiet von Mc Pherron, der auf den
Höhen die meisten Funde machte im Gegensatz
zu Vermeersch und seine Suchtrupps, die an
der Niederung "klebten". McPherron führt
also in logischer Weise das fort, was
Vermeersch begann.
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Zusammenfassung Chronologie Mittlerer und Oberes Niltal nach Vermeersch und eigene Beurteilung
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1. (Jung)
Acheuleen
Das (Jung)Acheeleen korreliert nicht mit der
Chronologie der Nilterrassen. Die Funde sind
stark der Erosion ausgesetzt. Wo wie in Nag
eine Konzentration von Funden vorlag, lagen
diese nicht mehr in ihrem originalen
Kontext. Nur 10 Meter über dem heutigen
Nilniveau kann die chronostratigraphische
Lage mit der geologischen Schicht von OIS 9
in Verbindung gebracht werden (360 - 300 000
vor heute, S. 322). Zu jener Zeit war das
Klima erheblich feuchter als heute. Dies
gibt vielleicht auch eine Erklärung, warum
um Luxor Artefakt aus dem Acheuleen und
Mittelpaläolithikum reichlicher vorliegen
als aus späteren Zeitepochen. Was in
späteren Zeiten bis heute Wüste ist, war
früher oft Weideland für Tiere und somit
Jagdgebiet
2. Mittelpaläolithikum
Die mittelpaläolithischen Fundsituation
ähnelt den altpaläolithischen. Die Stationen
sind überall in der Wüste verstreut. Wie
beim Altpaläolithikum sind nur wenige
erfasst, von denen wiederum mit vielleicht
einer Ausnahme (El Abadiya) keine Siedlungen
(living places) sondern
Materialgewinnungsplätzen (quarries) sind.
Dieses steht im Widerspruch zu meinen
Erkenntnissen über Trap-Jäger-Stationen,
die als periodische living-stations
bezeichnet werden können und ausführlich auf
dieser Homepage besprochen werden. Vermeersch gelang
eine Dreigliederung in:
2.1 Frühes Mittelpaläolithikum,
das durch die nubische Levallois-Technologie
gekennzeichnte ist.
2.2 Mittleres Mittelpaläolithikum,
das ebenfalls die nubische Levallios-Technologie
kennt, aber für die es jüngere geologisch
begründbare Bezüge gibt.
2.3 Jüngeres Mittelpaläolithikum,
dass neben der Levallois-Methodik eine
Klingenkomponente sowie Endkratzer und
einige Stichel wie das jungpaläolithische
Shuwikhatian aufweist. Wenn die Zeitstellung
70 - 80 000 vor heute zutrifft, fällt es für
Nordafrika in die Zeit des ersten modernen
Menschen, der in der Tradition des Alten (Levallois)
steht, aber das Neue (Klingenproduktion)
schon anwendet.
3. Jungpaläolithikum (25 000 vor heute)
Es ist wie auch in Europa durch
Klingen-Produktion, Stichel, Endkratzer,
bifaziale Geräte, sowie rückenverstumpfte Klingen präsent. Das
Jungpaläolithikum tritt mit 25 000 vor heute
für afrikanische Verhältnisse relativ spät
auf. Verglichen mit Europa fehl die
Industrie des ersten modernen Menschen, also
das frühe Jungpaläolithikum wie auch um
Luxor, es sei denn, man weist dem modernen
Menschen in Nordafrika die Kultur des
Jüngeren Mittelpaläolithikums zu.
4. Spätes Jungpaläolithikum - Endpaläolithikum (Fischersiedlungen 21 000 -
12 000 vor heute)
Im Gegensatz zum Mittleren und Unteren
Niltal gibt es etliche (Fischer)Plätze im
oberen Teil. Dieses ist alluvial geologisch
begründbar. Während der Eiszeit soll ein
hypertrockenes Klima in Äthiopien geherrscht
haben, so dass der Nil viel Lehm mit sich
führte, der das obere Niltal auffüllte, so
dass der Fluss in Nubien 25 Meter höher war
als heute. Diese Situation war günstig für
die Bewahrung der Fischerplätze. Im
Gegensatz dazu hatte sich der Nil im
mittleren und unteren Teil tiefer
eingeschnitten, weil das Mittelmeer 100
Meter tiefer lag. Siedlungsplätze nahe dem
damaligen Nilniveau sind inzwischen erodiert
worden. Die Höhe des Wasserstandes des Nils
kann also im längerfristigen Vergleich nicht
als Maßstab für die transportierte
Wassermenge genommen werden. Es treten
Klingen, kleine Klingen, Mikrokratzer,
rückenverstumpfte Klingen, geometrische
Mikrolithen auf, die Ähnlichkeit mit dem
europäischen Mesolithikum haben. Die
Levallois-Technologie fehlt völlig. Ich habe
um Luxor kein Endpaläolithikum aufgefunden.
5. Das Epipaläolithikum
fand sich nur in der
Siedlung von Elkab 8 000 vor heute. Die
Station lieferte ein mikrolithisches
Ensemble mit vielen extrem kleinen Spitzen
und verstumpften Klingen.
Die prädynastischen
und dynastischen Siedlungen sind von
Vermersch nicht
aufgenommen, da sie nicht mehr zum
Paläolithikum zählen. Ihre Steinartefakte
sind aber auch für das Thema
Paläolithikum interessant, da sie ähnliche
Schlagtechnologien manchmal aufweisen wie
Klingen und Chopper (Tillmann) Bei
Oberflächenfunden gilt es daher auch zu
prüfen, ob nicht diese jungen Perioden in
Frage kämen. Für meinen Fundbereich kann ich
dies nicht bestätigen.
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